Schweizer investieren in Haussanierungen statt Neubauten
Immer weniger Menschen kamen, immer mehr Wohnungen wurden gebaut: Der Schweizer Wohnungsmarkt hat in den vergangenen Jahren eine bedenkliche Entwicklung genommen. Nach Berechnungen der Credit Suisse standen 2018 rund 72.000 Wohnungen leer, oft über viele Monate. Auch Lockangebote bei den Mieten nützten da wenig, Angebot und Nachfrage klaffen immer weiter auseinander, wenn auch mit grossen regionalen Unterschieden.
Ursina Kubli, Leiterin des Immobilienresearch bei der Züricher Kantonalbank, erklärt dann auch im Handelsblatt, das Problem bestehe nicht vorrangig darin, dass zu viel gebaut werde. Es werde jedoch „in den falschen Gegenden“ gebaut. In Zeiten „rekordtiefer Zinsen“ gingen die Investoren auf der Suche nach neuen Anlagemöglichkeiten dorthin, „wo sie relativ einfach an günstiges Bauland kommen, und das sei nun mal in den ländlichen Gemeinden“. Die eigentliche Nachfrage bestehe aber in den grossen Städten wie Genf und Zürich.
Immobilienmarkt weiterhin mit Zuwächsen
Die oft gehörte Warnung vor dem „Pulverfass Immobilienmarkt“ scheint trotzdem übertrieben, zumindest solange die Zinsen nicht unerwartet durch die Decke gehen. Vor allem zwei Gründe bieten dabei Grund zum Optimismus:
Zum einen kann sich die Entwicklung der Immobilienpreise trotz des Leerstandes weiterhin sehen lassen. Die vom Vergleichsdienst Comparis veröffentlichte Karte zur Preisentwicklung für Wohnungen und Häuser erstrahlt in leuchtendem Grün, was ein deutliches Plus symbolisiert. Und das gilt nicht nur im Rückblick auf ein erfolgreiches Jahrzehnt, sondern eben auch noch fürs vergangene Jahr. 2,6 Prozent Plus konnten Einfamilienhäuser im Gesamtjahr 2018 noch immer für sich verbuchen.
Zum anderen – und das könnte sich als entscheidend erweisen – wird in der Schweiz inzwischen wieder wenig gebaut. Die Zahl der Baugesuche und der Baubewilligungen sinkt. Stattdessen fliesst mehr Geld in die Sanierung und da ist der Bedarf schier grenzenlos.
Diese Umschichtung von Geldern in Sanierungsmassnahmen entspricht dabei genau dem, was viele Experten vehement fordern. Das erklärte Motto für die sichere Geldanlage heisst: lieber in guter Lage sanieren als in schlechter Lage bauen. Und die Lage ist zu allen Zeiten für die Immobilienbewertung das A und O.
Im Trend: Sanieren statt Bauen
Zugegeben: Die Wachstums-Tendenz bei den Immobilienpreisen ist im Rückblick der Jahre eher negativ. Die Gründe wurden genannt. Auch sind die Angebotsmieten im zweiten Halbjahr 2018 tatsächlich gesunken, und das sogar unter den Stand vom Jahresbeginn. Um diese Zahlen aber gleich in das drohende „Platzen der Immobilienblase“ zu übersetzen, ist viel Pessimismus vonnöten – zumal die Gegenströmung an Kraft gewinnt.
Für die Immobilienpreise könnte der Schwenk zur Sanierung das Fundament schaffen, auf das Immobilienmakler beim Immobilienverkauf der Zukunft bauen. Interessierte Käufer dürfte es schliesslich weiterhin geben, denn die Zinsen sind noch immer günstig und die Möglichkeiten zur Finanzierung gut. Hypotheken gibt es schon deutlich unter einem Prozent, mit freundlicher Festverzinsung für zehn Jahre. Die ohnehin hohe Eigentumsquote von inzwischen mehr als 38 Prozent dürfte daher noch nicht das Ende der Entwicklung sein.
Renovation als nachhaltiger Trend?
Ob die Entwicklung den Trend fallender Mieten schon 2019 stoppen wird? Zwingend ist das nicht. Noch wichtiger erscheint jedoch die Frage, ob es sich bei den steigenden Investitionen in die Sanierung tatsächlich um einen nachhaltigen Trend handelt – zumal um einen, der den Bauboom wirksam eindämmt.
Auch hier fallen Prognosen schwer, doch vieles spricht dafür und schon das erste Argument besitzt Format: Es ist der marode Haus- und Wohnungsbestand selbst. Beim Sanierungstrend handelt es sich nämlich nicht um eine Überraschung, sondern eher um eine längst überfällige Entwicklung. Wann, wenn nicht jetzt, fragt man sich angesichts des Zinsniveaus und hunderttausender renovierungsbedürftiger Objekte schon seit langem.
Vollzogener Zeitenwandel: Es wird kräftig saniert
Um Missverständnissen vorzubeugen: Tatsächlich wird in Sachen Sanierung auch schon lange etwas getan! Aber die Menge macht's und da ist trotz aller Fortschritte noch jede Menge Luft nach oben. Blick Online meldet unter Verweis auf Erhebungen von Wüst Partner einen Anstieg der Umbauinvestitionen von mehr als 36 Prozent zwischen 2007 und 2016. Vor allem in Mehrfamilienhäusern wird demnach kräftig gewerkelt und investiert. Der Zuwachs hier fällt dem Bericht zufolge mit fast 66 Prozent deutlich überproportional aus.
Diese Zahlen für Erneuerungs- und Renovationsarbeiten allein sagen allerdings noch wenig aus. Schlüssig wird die Sache erst, wenn man sie mit den Investitionen in den Neubau ins Verhältnis setzt. Und auch hier scheint sich die Waage in eine Richtung zu neigen: Die Ausgaben für den Neubau steigen im selben Zeitpunkt geringer als für Renovation.
Neubau rückläufig
Ein Blick in die Daten des Bundesamtes für Statistik zeigt schliesslich: Die Zahl der neu gebauten, im Bau befindlichen oder baubewilligten Wohngebäude oder Wohnungen ist schon 2016 und 2017 rückläufig gewesen. Das Minus bei neuen Wohngebäuden lag 2017 im Vergleich zum Vorjahr bei 3,6, bei Wohnungen sogar bei vier Prozent. 2016 fielen die Werte sogar noch etwas deutlicher aus.
Energetische Sanierung will finanziert sein
Wie sich die Haussanierungen in den kommenden Jahren entwickeln werden, hängt neben dem Zinsniveau nicht zuletzt von den gesetzlichen Rahmenbedingungen ab. Noch immer warten rund 1,5 Millionen Häuser auf eine bessere Dämmung, nicht zuletzt, um die CO2-Emissionen wirksam zu senken. Die notwendigen Arbeiten hier haben einen direkten Einfluss auf die Immobilienbewertung und auch die Vermietung ist deutlich leichter, wenn die teure Energie nicht durch die Wände entschwindet. Just auf diesem wichtigen Gebiet herrscht derzeit jedoch das grosse Rätselraten. Stoppt der Bundesrat das Gebäudeprogramm 2025 tatsächlich? Immerhin stehen derzeit pro Jahr 450 Millionen Franken für die energetische Sanierung zur Verfügung – für Hausbesitzer ein unverzichtbarer Anreiz.