Zusätzliche Mittel für gemeinnützigen Wohnungsbau abgelehnt
Die Vorgeschichte: Vor zwei Jahren reicht der Schweizerische Mieterinnen- und Mieterverband (SMV) die Volksinitiative „Mehr bezahlbare Wohnungen“ ein. Die Initianten fordern darin eine Anpassung und eine Ergänzung des bestehenden Verfassungsartikels über die Wohnbau- und Wohneigentumsförderung (Art. 108 der Bundesverfassung). Ziel der Initiative: Das Angebot an preisgünstigem Wohnraum soll ausgeweitet werden.
Anfang 2017 empfiehlt der Bundesrat Volk und Ständen die Ablehnung der Volksinitiative: Die von der Initiative geforderte Zielgrösse – 10 Prozent der jährlich neu erstellten Wohnungen sollen gemeinnützigen Bauträgern gehören – sei eine zu hohe finanzielle Mehrbelastung für Bund und Kantone. Ausserdem widerspreche die vorgegebene Quote – gekoppelt an ein Vorkaufsrecht für Kantone und Gemeinden – einem marktwirtschaftlichen Verständnis von Wettbewerb unter den Investoren und Wohnungseigentümerinnen und -eigentümern.
Bund beantragt Aufstockung der Kredite
Dass indes Bedarf an gemeinnützigen Wohnungen besteht, daran lässt auch der Bundesrat keinen Zweifel. Deshalb legt er dem Parlament parallel zu seiner Negativempfehlung seinen Beschluss über die Aufstockung der Kredite im Umfang von 250 Millionen Franken zugunsten des gemeinnützigen Wohnungsbaus vor: Zwischen 2020 und 2030 sollen nach und nach einzelne Raten dem sogenannten Fonds de Roulement (FdR) zugeführt werden. Dieser wird von den beiden Dachorganisationen der gemeinnützigen Wohnbauträger, der „Wohnbaugenossenschaften Schweiz – Verband der gemeinnützigen Wohnbauträger“ einerseits und „Wohnen Schweiz – Verband der Baugenossenschaften“ andererseits, treuhänderisch für den Bund verwaltet. Aus ihm können gemeinnützigen Bauträgern zinsgünstige Darlehen gewährt werden, die zur Teilfinanzierung für die Erneuerung bestehender gemeinnütziger Liegenschaften oder den Neubau bzw. Erwerb von preisgünstigen Liegenschaften und Grundstücken eingesetzt werden. Jährlich werden rund 1500 Wohnungen auf diese Weise seit knapp 15 Jahren gefördert.
Ziel des Beschlusses durch den Bundesrat: Der gemeinnützige Wohnungsbau soll seinen bestehenden Marktanteil von vier bis fünf Prozent längerfristig halten können. Denn andernfalls wäre die Wohnungsversorgung der wirtschaftlich schwächeren Haushalte sowie die Aufrechterhaltung der sozialen Durchmischung gefährdet und mithin der Verfassungsauftrag nicht erfüllt. Die Ausgestaltung als Rahmenkredit soll es dem Parlament dabei erlauben, die in den Fonds fliessenden Mittel jährlich an den aktuellen Bedarf anzupassen.
Wirtschaftskommission lehnt Antrag ab
So überzeugend die Idee, so unerwartet der jetzige Paukenschlag: Die vorberatende Wirtschaftskommission des Nationalrats (WAK) schmettert den Antrag des Bundesrats mit 13 zu 11 Stimmen ab. Ein Rahmenkredit zugunsten des gemeinnützigen Wohnungsbaus sei angesichts der aktuell entspannten Situation des Wohnungsmarkts nicht erforderlich. Der derzeitige Wohnungsleerstand sei nur ein Zeichen dafür, dass der Markt übersättigt sei und genug preisgünstige Wohnungen zu haben seien. Es bedürfe daher keiner zusätzlichen Zuschüsse für den Fonds de Roulement. Eine schallende Ohrfeige für den Bundesrat, dessen Antrag in der Vernehmlassung – mit Ausnahme der SVP und der FDP – deutlich befürwortet worden war.
Die Befürworter sind entsetzt. Sie betonen, die vom Bundesrat vorgeschlagene Aufstockung sei das absolute Minimum, um die Unterstützung von Genossenschaften auf dem aktuellen Niveau zu halten. Und sie erinnern daran, dass der Bund seinem Verfassungsauftrag nachkommen müsse und zur Förderung des gemeinnützigen Wohnungsbaus verpflichtet sei.
Unverständnis auf Seiten der Befürworter
Beim Schweizerischen Mieterinnen- und Mieterverband löst der Entscheid der Kommission, nicht auf den Rahmenkredit einzutreten, Kopfschütteln aus. „Jetzt muss die Mehrheit im Nationalrat Farbe bekennen und handeln“, schreibt der SMV in einer Mitteilung. Wenn der Nationalrat den Entscheid nicht korrigiere, drohe ein „Kahlschlag beim gemeinnützigen Wohnungsbau“.
Das bewährte Instrument belaste das Budget des Bundes nicht: „Da die Beiträge des Fonds de Roulement in den letzten Jahren ohne Ausfälle mit Zinsen zurückgezahlt wurden, hat die Bundeskasse gar Einnahmen gemacht.“
„Kommission verschliesst die Augen“
Der Verband kritisiert nicht nur die Ablehnung des Bundesantrags, sondern auch jene der Initiative von Oktober 2016: „Die Kommissionsmehrheit verschliesst damit die Augen vor den realen Problemen vieler Mieterinnen und Mieter auf dem Wohnungsmarkt“, heisst es in der Mitteilung. Vor allem in den Agglomerationen seien steigende Mieten und fehlende Wohnungen zu bezahlbaren Mieten für die Bevölkerung ein beachtliches Problem. „Die Mieten bleiben weiterhin der grösste Ausgabeposten in einem Haushalt.“